Mutismus-Podcast | Folge 009
In dieser Folge vom Mutismus-Podcast ist nochmal eine Ängstlichkeit unser Thema.
Und zwar eine sehr spezielle Ängstlichkeit: Die soziale Phobie.
Wenn du so willst, ist das die "Große Schwester von 'schüchtern'" - aber beim Selektivem Mutismus ist das (genau wie Schüchternheit auch) eine wenig hilfreiche Zuschreibung.
Ich bin
Christine Winter
...und ich hatte Selektiven Mutismus, bis ich Mitte Dreißig war.

Heute unterstütze ich Erwachsene, die ihre Sprechblockaden hinter sich lassen wollen, sowie Familienangehörige und professionelle Helfer beim Mutismus verstehen.
Soziale Phobie - eine spezielle Form von (objektiv) unnötiger Angst
Wir reden in dieser Folge vom Mutismus-Podcast über
- die Definition von Sozialphobie ab der späteren Kindheit, bei Jugendlichen und Erwachsenen;
- eine deutliche andere Definition bei Kindern bis sechs Jahren -
- und dann kommt der wichtigste Punkt im Zusammenhang mit Selektivem Mutismus:
Warum eine Soziale Phobie erst dann relevant wird, wenn es der Selektive Mutismus NICHT MEHR ist.
Die Diagnosekriterien für Soziale Phobie
ab dem 6. Lebensjahr, gemäß ICD-10 (Stand 2020)
Um die Diagnose einer Sozialen Phobie stellen zu können, muss entweder das 1. oder das 2. Kriterium erfüllt sein:
- Deutliche Furcht, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten.
- Deutliche Vermeidung, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen oder von Situationen, in denen die Angst besteht, sich peinlich oder erniedrigend zu verhalten.
Diese Ängste treten in sozialen Situationen auf: Etwa beim Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, Begegnung von Bekannten in der Öffentlichkeit, Hinzukommen oder Teilnahme an kleinen Gruppen (wie z. B. bei Partys, Konferenzen oder in Klassenräumen).
Mindestens zwei der folgenden Angstsymptome in den gefürchteten Situationen müssen aufgetreten sein:
- Vegetative Symptome (Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz, Schweißausbrüche, Tremor, Mundtrockenheit)
- Symptome, die Brustkorb oder Bauch betreffen (Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Thoraxschmerzen, Übelkeit oder abdominelle Missempfindungen)
- Psychische Symptome (Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit, Derealisations- oder Depersonalisationsgefühle, Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder “auszuflippen”, Angst zu sterben)
- Allgemeine Symptome (Hitzewallungen oder Kälteschauer, Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle)
Zusätzlich mindestens eins der folgenden Symptome:
- Erröten oder Zittern
- Angst zu Erbrechen
- Miktions- oder Defäkationsdrang oder Angst davor
Es besteht eine deutliche emotionale Belastung durch die Angstsymptome oder das Vermeidungsverhalten sowie Einsicht, dass die Symptome oder das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind.
Die Symptome beschränken sich ausschließlich oder vornehmlich auf die gefürchteten Situationen oder auf Gedanken an diese.
Die Symptome sind nicht bedingt durch Wahn, Halluzinationen oder andere Symptome der Störungsgruppen organische psychische Störungen, Schizophrenie, affektive Störungen oder eine Zwangsstörung und sind nicht Folge von kulturell akzeptierten Anschauungen.
(ergänzende Anmerkung, die nicht im ICD aufgeführt ist, weil das eh jeder Diagnostiker beachten muss: Differenzialdiagnostisch müssen ALLE in Betracht kommenden Störungen einbezogen werden, also auch Selektiver Mutismus.)